„Ein Guru hielt mit seinen Jüngern täglich eine Abendmeditation. Als eines Tages die Hauskatze während dieser Zeit in den Meditationsraum lief und störte, ordnete er an, sie solle während dieser Zeit draußen festgebunden werden. So konnte man von da an wieder ungestört meditieren. Aber die Zeit verging. Der Guru starb und bekam einen Nachfolger. Dieser hielt sich streng an die Tradition, dass während der Abendmeditation draußen ‚eine Katze‘ angebunden sein müsse. Als schließlich auch die Katze starb, wurde eine neue Katze angeschafft, um sie während der Abendmeditation anbinden zu können. Weil die einfachen Leute den Sinn dieser Maßnahme nicht verstanden, traten Theologen auf den Plan und schrieben ein zweibändiges Werk mit vielen Fußnoten über die Heilsnotwendigkeit einer angebundenen Katze während der Abendmeditation. Mit der Zeit jedoch kam die Abendmeditation selbst ganz außer Gebrauch; niemand mehr interessierte sich dafür. Aber mit größter Treue wurde wenigstens der Ritus des Katzenanbindens beibehalten.“
Francis X. D’sa, Leiter des „Institute für the Study of Religion“, Pune
Zitiert nach Richard David Precht: Die Kunst, kein Egoist zu sein, Goldmann 2010, S. 186, welcher wiederum zitiert nach Peter Knauer: Handlungsnetze. Über das Grundprinzip der Ethik, Books on demand GmbH, 2002, S. 12, online hier: http://peter-knauer.de/knauer-ethik.pdf.
6 Kommentare
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10. Oktober 2011 um 19:52
S. Van Lure
subtil umschrieben aber cool^^
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11. Oktober 2011 um 20:20
Stefan
Finde ich auch.
Herzliche Grüße an dich.
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12. Oktober 2011 um 04:54
Soul Painting
die „genesis der haustiere“
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16. Oktober 2011 um 17:01
wlu
Ein sehr gutes Beispiel für „notwendige“ Traditionen…..
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25. April 2013 um 08:04
bmh
…vom Sinn und Unsinn magischer Rituale.
Gut geschrieben.
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2. Mai 2013 um 09:51
Stefan
Eine Aufforderung, das Fragen und Denken nicht zu vergessen, statt Gebote und Traditionen zu zementieren; nach dem Geist zu suchen, statt Bedeutungen zu konstruieren…
Liebe Grüße an dich, liebe Barbara.
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