Mystizismus statt Mystik.
Mythos statt Wissenschaft.
Magie statt Vernunft.
In den vergangenen zweitausend Jahren Kirchengeschichte hat man kein Christentum entwickelt, sondern ein Jesustum erschaffen. Man hat einen Menschen vergottet, statt Gott im Menschen zu erkennen.
Wir scheinen einen Hang dazu zu haben, das Göttliche von uns abzutrennen. Verstehen wir wirklich nicht, was es bedeutet, „mit dem heiligen Geist getauft“ zu sein (Mk 1,8; Apg 19,2 ff.)? Wo ist denn dieser „heilige Geist“, wenn nicht in uns? Warum suchen wir immer noch das Reich Gottes „da draußen“? „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch [in euch].“ sagte der Mann aus Nazareth (Lk 17,20-21). Warum wohl nannte Jesus von Nazareth die Entdecker des Göttlichen seine Brüder und Schwestern (vgl. Mt 12,50 od. Mk 3,35)? „Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ (Mk 1,11). Der Sohn und seine Brüder und Schwestern haben den gleichen Vater – „Vater unser“.
Warum tun wir uns so schwer damit, das ernst zu nehmen?
Jahrzehnte war ich nicht anders. Bis mystische Erfahrungen mir nach und nach meinen alten Glauben zerschlugen. Resigniert hatte ich irgendwann aufgehört, mich einen Christ zu nennen. Aber was ist ein Christ? Im „Jesustum“ ist irgendwie alles da und festgefügt; selbst der „Menschensohn“ (der „kosmische Christus“) wird nicht kommen (vgl. Lk 17,22 ff.), sondern ist ein für allemal zur „Rechten Gottes“ hingesetzt und darf sich nicht mehr rühren, als hätte ein Kind seinen Teddybären neben sich platziert. Gegenüber dem „Gott Jesus“ muss der Mensch letztlich immer ein Versager bleiben. Wie soll da jemals das Göttliche im Menschen erwachen können? Ein Christ jedoch sollte jemand sein, der unterwegs ist, ein „Anhänger des neuen Weges“ (Apg 9,2). Ich möchte zu den mir vertrauten Bildern und Begriffen zurückzukehren dürfen.
Heute bin ich davon überzeugt, dass die Erkenntnis der Mystik keiner mystischen Erfahrung (i.e.S.) bedarf. Das Göttliche lässt sich auf vielen Wegen erkennen. Manchmal denke ich, dass (auf ontologischer Ebene) Astro- und Quantenphysiker heute besser daran arbeiten als Dogmatiker, und (auf Herzensebene) die erotische Liebe mehr über göttliche Beziehung aussagt als das Priestertum.
In den vergangenen zweitausend Jahren Kirchengeschichte hat man kein Christentum entwickelt, sondern ein Jesustum erschaffen. Man hat einen Menschen vergottet, statt Gott im Menschen zu erkennen.
Mal ehrlich: Das hatte seine Zeit. Nun sind wir im 21. Jahrhundert angekommen. Wenn wir jetzt mit Mystizismus, Mythos und Magie so fortfahren, machen wir das Göttliche ganz schön klein. So wie der erste Mensch auf diesem „Christusweg“, Jesus von Nazareth, sollten auch wir aus der Enge heraustreten, und beginnen, weit zu denken.
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Zugehörige Beiträge:
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Sein Leben war das eines Menschen
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7 Kommentare
Comments feed for this article
19. November 2016 um 18:40
Hagen Unterwegs
Vielen Dank, lieber Stefan,
für diesen Artikel.
Du sprichst mir aus der Seele!
Gesegneten Gruß!
Hagen
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20. November 2016 um 11:23
Stefan
Es freut mich, dass dich das anspricht.
Allgemein (nicht speziell von dir) hatte ich eher mit Protest gerechnet…
Gesegneten Gruß auch an dich!
Stefan
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22. November 2016 um 22:48
Matthias Mala
… nur dabei nicht von dem einen Ismus in den nächsten stolpern.
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15. Januar 2017 um 10:20
Manfred Reichelt
Deine Artikel haben Niveau. Ich habe nicht nur diesen gelesen. Danke.
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21. Januar 2017 um 12:13
Stefan
Vielen Dank!
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12. März 2018 um 21:19
Notizblättchen » “Jesustum”
[…] In den vergangenen zweitausend Jahren Kirchengeschichte hat man kein Christentum entwickelt, sondern… […]
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13. März 2018 um 21:09
Notizblättchen
[…] Wir scheinen einen Hang dazu zu haben, das Göttliche von uns abzutrennen (..) […]
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