Wenn Menschen von Gott reden, dann muss man sich klar machen, dass der Mensch stets dabei mitzudenken ist. Nicht, dass Gott auf den Menschen beschränkt sei; doch so, dass der Mensch nicht anders von Gott sprechen kann, als aus seinem eigenen, beschränkten Wahrnehmungshorizont heraus. Es ist offensichtlich, dass der Mensch nicht einmal auf der Ebene seines Mesokosmos ein umfassendes Verständnis zu entwicklen in der Lage ist. Welch unfassbarer Hybris muss er dann unterliegen, wenn er meint, über das Kleinste und Größte reden zu können?

Und dennoch ist immer wieder erkennbar, dass in Religion und Spiritualität Erklärungen des Seins und der Welt erfolgen, dass Gott damit festgeschrieben wird auf die Enge menschlichen Geistes – vom Katholizismus über den Zen bis zu den großartigen integralen Theorien. Auch die Mystik kann davon nicht ausgenommen werden, nicht in den alten Traditionen und nicht in neospirituellen Strömungen (und selbstredend gilt Analoges auch für „weltliche“ Weltbilder). Daran ändert auch nichts, wenn von der Unbildbarkeit und der Unermesslichkeit Gottes die Rede ist, das Konzept dieser Aussagen aber lediglich in einem Erahnen einer weiteren Weite als jener menschlicher Kognition liegt. Dazu braucht es wohl nicht viel, und selbst die Rede von Gottes unvorstellbarer Größe macht Gott (oder „Gott“) damit am Ende nur menschlich klein. Dort, wo wir an die Grenzen menschlichen Geistes stoßen, auch in der Mystik und auch in aller Erahnbarkeit von weiterer Weite, können wir gar nichts mehr sagen, nichts ahnen und nichts vermuten – auch nichts von unsagbarer Weite.

Das bedeutet nicht, dass man von Gott oder vom Sein nicht sprechen solle. Es bedeutet lediglich, dass es gut wäre, sich stets bewusst zu sein, auf welcher Ebene der Versuch gewagt wird.

Der Turmbau zu Babel findet immer wieder und in allen Bereichen menschlichen Daseins statt. In Wissenschaft und Technik wie in Philosophie, Religion und Spiritualität. Davon die Finger zu lassen meint allerdings nicht, Wissen und Glauben zu misstrauen. Es geht auch nicht darum zu verstehen, wo die Grenzen von Wissen und Glauben sind, sondern zu erkennen, was das Wesen von Wissen und Glauben ist, um zu begreifen, was Wissen und Glauben bedeuten. Daraus kann dann ohne Verlust der eigenen Orientierung eine Demut resultieren, die uns vor der Arroganz der Allererklärbarkeit und Allmachbarkeit und den dadurch wiederkehrenden Katastrophen im Inneren wie Äußeren bewahrt.